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Gläsernes Erzgebirge

Vom Waldglas zum künstlerisch hochwertig veredelten Schliff und Gravurglas aus dem Erzgebirge.

Mit dem Wendenkreuzzug im Jahr 1147 beginnt die 2. Ostexpansion. Wichtige deutsche Fürsten wie Heinrich der Löwe und Albrecht der Bär befinden sich unter den Kreuzfahrern. Wichtige Anliegen dieses Kreuzzuges sind religiöse Gründe und Herrschaftsansprüche in den Grenzregionen. So beginnt auch die Besiedelung unserer Heimat. Der Miriquidi, jener dunkle Wald welcher die natürliche Grenze zum Königreich Böhmen bildet, wird Stück um Stück gerodet und das Land urbar gemacht.

Silbererzfunde im Jahr 1186 beschleunigen die Ereignisse noch. Die Kunde von reichen Rohstoffvorkommen in jenem neu zu besiedelten Gebiet spricht sich sicherlich schnell herum. Auch die wichtigsten Rohstoffe für Waldglas Quarz und Holz sind an vielen Orten reichlich vorhanden. So kommen Mitte des 13. Jh. auch Glasmacher mit ihren Familien aus verschiedenen Gebieten des Reiches in unsere Heimat.

Erste Glashütten sind nach neuestem Forschungsstand für die Zeit um 1250 bis 1260 nachgewiesen. Bis heute wurden rund 100 Glashüttenstandorte gefunden. Viele dieser einfachen Glashütten waren Waldglashütten, die nach dem das Holz in unmittelbarer Umgebung aufgebraucht war, einfach weiter gezogen sind. So liegen viele Hüttenstandorte eng zusammen und oft nur wenige hundert Meter von einander getrennt. Solche Gebiete bezeichnen wir auch als Erzeugungskreise. Gegenüber meines Heimatortes Satzung befindet sich auf dem heute zur tschechischen Republik gehörendem Staatsgebiet der „ Glasberg „. Auf diesem Höhenrücken haben tschechische Archäologen  in den letzten Jahren 3 Glashüttenstandorte nachgewiesen und durch Bodenfunde bestätigt. Die erfolgreichen Ausgrabungen zeugen von einer regen Glasmachertätigkeit in diesem Gebiet.

Auf diesen und sicher allen anderen Glashütten in jener Zeit im Erzgebirge wurde nur einfaches Waldglas produziert. Dekoriert wurde das Glas am Ofen durch das Aufsetzen von Noppen, Auflegen von Fäden, das ziehen einer Flasche mit Rüssel und das Anbringen von Ringel. Erst im 16. Jh. kann speziell für die Heidelbacher Glashütte bei Seiffen die Emailmalerei als weitere künstlerische Veredlungsform nachgewiesen werden. Mein Handwerk der Glasschnitt oder wie man heute sagt die Glasgravur kommt 1588 an den Hof des deutschen Kaisers Rudolf den 2. Ab dem Jahr 1600 wird auch an der damals bedeutendsten erzgebirgischen Glashütte Heidelbach bei Seiffen Glas geschnitten. Gute Glasschneider gehen später von dieser Hütte nach Dresden um dort in unmittelbarer Nähe zum sächsischen Hof ihr Handwerk auszuüben. Einer von Ihnen ist Caspar Schindler. Er erhält in Dresden den Titel eines Hofglasschneiders. Auch an der Rübenauer Glashütte ist ein Glasschleifer nachgewiesen. Sicher wird an einigen nun festen Hüttenstandorten der Glasschnitt und der Glasschliff bis in das 18. Jh. ausgeführt.
 


Reste einer der drei mittelalterlichen Glashütten auf dem Glasberg bei Satzung

Mit dem Niedergang der erzgebirgischen  Glashütten und dem Ende der Produktion der Heidelbacher Glashütte um 1820 verschwindet für viele Jahre auch die Glasgravur aus unserer Heimat. Dieser Zustand soll nun 126 Jahre so bleiben. Zwei schlimme Kriege werden in der Zukunft die Geschichte Europas von Grund auf verändern. So hat der 2. Weltkrieg und seine furchtbaren Folgen auch Auswirkungen auf unsere Heimat. Die Siegermächte haben die Grenzen in Europa neu gezogen. Das Sudetenland jener zweisprachige Streifen zwischen Deutschland und Tschechien wird der Tschecheslowakei zugeteilt. Flucht und Vertreibung  sind die Folge. Die deutschsprachige Bevölkerung wird gezwungen ihre jahrhunderte alte Heimat zu verlassen. Unter ihnen sind viele Glashüttenbesitzer, Glasmacher, Glasschleifer, Glasmaler und Glasgraveure aus den Hütten und Glasraffinerien  rund um Haida ( Novy Bor ).

Viele dieser Menschen kommen mit ihrem wenigen Hab und Gut auch in unser sächsisches Erzgebirge. Studierte Glasfachleute, Glasschleifer, Glasmaler und Glasgraveure finden in Olbernhau und dem kleinem Dorf Satzung direkt an der tschechischen Grenze eine neue Heimat. Man kann sich heute kaum vorstellen welche großartige Leistung es wohl war aus dem nichts heraus neue Betriebe entstehen zu lassen und vielen Menschen Arbeit und Brot im Glasveredlerhandwerk zu geben.

Im Jahr 1946 gründet Herr Edmund Pech seine Firma Pech & Kunte in Olbernhau. Auch in Satzung entsteht wohl im selben Jahr eine kleine Glasveredlungsfirma mit Namen Volkmar & Co. Olbernhauer Bleikristall wird zum Markenzeichen hochwertigster Veredlung durch Schliff, Gravur und Glasmalerei. Künstlerisch geschliffenes, graviertes und durch Glasmalerei verziertes Glas erobert die Weltmärkte.

Produktion der Firma Pech & Kunte Olbernhau aus den Anfangsjahren

Olbernhauer Glas verkauft sich in Europa, Asien in den arabischen Ländern und in Amerika. Hohe Auszeichnungen wie Goldmedaillen auf der Leipziger Messe werden folgen.

 
Diese Serie erhielt Messegold

Bleikristall aus Olbernhau

Produktion der Firma VEB Glaswerk Olbernhau
aus den siebziger Jahren

Von Glasschleifern in Satzung in den achtziger Jahren gefertigte Stücke
Zur gleichen Zeit entwickelt sich auch der Satzunger Betrieb immer weiter. In der Satzunger Glasschleiferei werden gute Gravuren angefertigt und einfache Schliffdekore gearbeitet. In dieser Zeit lernt hier in Satzung der später wohl beste Graveur der ehemaligen DDR Bernd Mühlig sein Handwerk. Im Zuge der Zwangsverstaatlichung werden in den siebziger Jahren beide Betriebe zusammengeführt. Von nun an ist Satzung ein Werkteil des VEB Glaswerk Olbernhau. Junge Glasschleifer welche ihre Ausbildung in Olbernhau erhielten, bringen jetzt den aufwendigen Olbernhauer Glasschliff mit nach Satzung. Ältere Arbeitnehmer qualifizieren sich auf das hochwertigere Bleikristall.

In der Glasgravur aber wird der Satzunger Betriebsteil führend bleiben. Ab dem Ende der siebziger Jahre erhalten viele Jahrgänge von Glasgraveuren eine herausragende Ausbildung in Satzung. Unter ihnen sind viele Lehrlinge aus dem damaligen VEB Glaswerk Schönborn. Als Lehrausbilder ist der weit über das Glaswerk Olbernhau hinaus bekannte Glasgraveur Bernd Mühlig tätig. Seine Portraitgravuren auf Olbernhauer Bleikristall werden in die ganze Welt verkauft.

So betrachte ich es heute als großes Geschenk, dass ich auch meine Ausbildung im Jahr 1980 unter diesem Meister fortsetzen konnte. Bernd Mühlig ist bis heute ein Vorbild für mich. Hier wurde der Grundstein für meine spätere Arbeit gelegt. Mit der politischen Wende und der deutschen Einheit haben sich die Dinge wieder grundlegend verändert. Ein veränderter Zeitgeschmack in Europa und Absatzschwierigkeiten auf den einst wichtigsten Märkten haben zu einem starken Rückgang in der Produktion von  Glasschliff und Gravur geführt. Sich der Tradition des Olbernhauer Bleikristall verpflichtend, entstehen bis heute in der Glasveredlerwerkstatt Art on Glass von R. Christian Hofmann einzigartige Meisterstücke der Glaskunst. 


Stücke aus der Fertigung von R. Christian Hofmann

R. Christian Hofmann
 

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